ZWÖLFTER
BEHANDLUNGSTAG
Lapidius kam die Treppe aus dem Oberstock herab. Er hatte nach Freyja gesehen, die an diesem Morgen wieder von starken Gelenkschmerzen geplagt wurde. Auch die qualvollen Koliken waren erneut über sie hergefallen. Und zu allem Unglück hatte sie weiteres Haar verloren. Ganze Büschel waren in Lapidius’ Fingern hängen geblieben, als er ihren Kopf angehoben hatte, um ihr den Weidenrindentrank einzuflößen. Er hoffte, die Arznei würde bald Wirkung zeigen. Wenn nicht, musste das braune Fläschchen mit dem Laudanum nochmals herhalten. Allerdings: Es barg nur noch wenig von dem helfenden Saft.
»Marthe! Marthe?« Er trat in die Küche. »Da bist du ja. Wie geht es deiner Mutter? Hat ihr das gebratene Brüstchen gestern gemundet?«
Die Magd war an diesem Tag wieder sehr verschlossen. Sie stand vor einem Bottich mit Wasser und spülte irdenes Geschirr. Endlich bequemte sie sich zu einem »Ja, Herr«.
Lapidius überging das unziemliche Benehmen. »Und was macht das Zipperlein? Plagt es die Mutter noch?«
»Ja, Herr, schlimm isses.«
»Dann solltest du nach ihr sehen. Gleich jetzt. Ich brauche dich heute Vormittag nicht.«
»Ja … aber, aber, ich hab noch nix gekocht.«
»Geh nur.« Lapidius schob die Magd mit sanfter Gewalt aus der Tür.
Wenig später war Marthe fort, und Lapidius hatte den Frauenschädel wieder hervorgeholt. Sein Zustand hatte sich nicht verschönert. Und sein Geruch auch nicht. Doch es half nichts, er musste die Untersuchung zu Ende führen. Schließlich konnte er den Kopf nicht für alle Zeiten in der Vorratsgrube verwahren. Am besten, er würde ihn noch heute zu Krott bringen, in einem abgeschlossenen Kasten. Der Totengräber würde ein paar Kreuzer bekommen und den Kopf beerdigen. Ohne viel zu fragen.
Voller Ekel betrachtete Lapidius den Halsstumpf mit seinem Wirrwarr aus Knochen, Fleisch und getrocknetem Blut. Die Hautränder zeigten, dass der Schädel nicht abgeschlagen, sondern abgeschnitten worden war – wie bei Gunda Löbesam. Nun, das hatte er vermutet. Interessant würde sein, wie der Halswirbel durchtrennt worden war. Lapidius nahm den Knochen in Augenschein und entdeckte Sägespuren. Sägespuren wie bei den Ziegenböcken. Die Filii Satani ließen grüßen!
Grimmig untersuchte er den Kopf weiter, doch es fiel ihm nichts Nennenswertes mehr auf. Nur ein paar weiße punktartige Flecken im Fleisch des Stumpfs. Es waren Eipakete von Schmeißfliegen. Die Insekten mussten die Eier abgelegt haben, als der Kopf über seiner Tür gehangen hatte.
Lapidius’ Sinne waren jetzt geschärft, und er entdeckte weitere winzige Eipakete. Sie versteckten sich in den inneren Augenwinkeln und in den Buchstaben auf der Stirn. Da er nicht wusste, ob die Maden noch schlüpfen würden, nahm er eine Pinzette und entfernte zur Sicherheit die Eier. Dann betrachtete er den Kopf noch einmal von allen Seiten. Mitleid und Wehmut bemächtigten sich seiner. Diese Frau hatte einmal gelacht, geliebt, gelebt wie j ede andere auch, und j etzt war sie tot, ihr Antlitz leer, ihre Gesichtszüge entstellt. Unmenschlich sah sie aus mit den Löchern in ihrer Stirn.
Er überlegte, ob er die Hörner wieder einsetzen sollte, doch er unterließ es. Sie waren ein Fremdkörper und hatten in dem Antlitz nichts zu suchen. Wieder musterte er den Kopf, der ihm mittlerweile sehr vertraut war. »Ich werde dich noch nicht zu Krott schaffen«, murmelte er, »ich weiß nicht, warum, aber ich habe das bestimmte Gefühl, als würdest du noch ein Geheimnis bergen. Nimm deshalb vorerst noch einmal mit der Kühlgrube vorlieb.«
Nachdem Lapidius den Kopf fortgebracht hatte, sagte er sich, dass er von dem ewigen Kreislauf seiner Gedanken Abstand gewinnen musste. Er ging ins Laboratorium, um sich weiter seinen alchemistischen Studien zu widmen. Da er in seinen Mitteln jetzt mehr als beschränkt war, musste er den Weg der Amalgamation verlassen und versuchen, auf andere Weise zum Ziel zu kommen.
Von den sieben hermetischen Prinzipien, die jedem Alchemisten bekannt waren, wollte er das dritte anwenden. Es besagte, dass nichts auf der Welt in Ruhe ist, sondern alles in Bewegung, also alles zu jeder Zeit schwingt. Die Veränderung der Schwingung, so hieß es weiter, brachte bei vielen Stoffen eine qualitative Verbesserung mit sich.
Da nun Gold eine höhere Schwingung als Quecksilber hatte, musste man das Hydrargyrium nur in entsprechende Bewegung versetzen, um das wertvollste aller Metalle zu gewinnen. Lapidius wusste, dass schon Generationen von Wissenschaftlern vor ihm diesen Weg gegangen waren und dass nur die wenigsten von ihnen Erfolg gehabt hatten. Doch der Versuch musste unternommen werden.
Von früheren Experimenten besaß er noch ein eisernes Rad mit Handkurbel. Betätigte man die Kurbel, wurde es in Drehung versetzt – ein einfacher Mechanismus, den er sich zunutze machen wollte. Im Verlaufe der nächsten Stunde brachte er hölzerne Kopfstücke auf der Felge des Rades an und befestigte darüber eine Holzplatte. Drehte er nun an der Kurbel, gab j edes Kopfstück einen winzigen Stoß an die Platte weiter. Als er so weit war, fühlte er eine tiefe Befriedigung, denn jetzt brauchte er nur noch ein gläsernes Gefäß mit Quecksilber auf der Platte zu fixieren, und der Versuch konnte beginnen.
Er nahm den bärenförmigen Alambic und gab eine kleine Menge flüssiges Hydrargyrium hinein. Dann betätigte er das Rad. Wie beabsichtigt, bekam der Alambic nun in regelmäßigen Abständen einen kleinen Anstoß. Das darin befindliche Quecksilber geriet in Bewegung.
Lapidius unterbrach seine Tätigkeit. Er wollte wissenschaftlich vorgehen. Das hieß, er musste die Anordnung des Experiments genau festhalten. Und natürlich die Variationen. Gottlob hatte sein Büchlein den Ansturm der Vandalen überlebt, so dass er die entsprechenden Eintragungen vornehmen konnte. Er schrieb mit spitzer Feder:
Pagina 20
Experimenta ad principium hermeticumI. Variatio I –
Sonnabend, 23. Aprilis AD 1547
Außerdem brauchte er das Minutenglas. Er stellte es auf den Kopf und begann das Rad zu drehen. Gleichzeitig zählte er mit. Als die Minute verronnen war, hatte er achtundfünfzig Umdrehungen vorgenommen. Da auf der Felge des Rades insgesamt dreißig Kopfstücke saßen, hatte das Quecksilber in einer Minute achtundfünfzig mal dreißig, also eintausendsiebenhundertvierzig Schwingungsstöße erhalten.
Doch es hatte sich nicht verändert.
In der Folgezeit erhöhte und verlangsamte Lapidius die Umdrehungsgeschwindigkeit, änderte darüber hinaus die Drehdauer mehrmals und hielt alles peinlich genau fest. Bei der eintönigen Arbeit des Kurbeins glitten seine Gedanken immer wieder ab. Der Frauenkopf mit den beiden Hörnern stand ihm ständig vor Augen. Kein Zweifel: Da hatte jemand auf brutalste Weise deutlich machen wollen, dass Freyja einen Pakt mit dem Teufel eingegangen war – um sie erneut zu denunzieren und endgültig zu vernichten. Und ihn, Lapidius, gleich mit.
Gleichmäßig surrte das Rad weiter. Das Quecksilber schwang im Alambic hin und her … Wo hatte der Tod die Frau ereilt? Da gab es viele Möglichkeiten. Die wahrscheinlichste mochte sein, dass es in unmittelbarer Nähe seiner Haustür geschehen war, dem Ort, wo ihr Kopf gehangen hatte. Dies vorausgesetzt, war es nur logisch, dass auch der Bock, dessen Hörner verwendet worden waren, aus der nächsten Umgebung kam. Und ein solches Tier gab es: Taufliebs Bock.
Lapidius merkte nicht, dass er plötzlich viel zu schnell kurbelte. Tauflieb ein Mörder? Also doch! Je länger er darüber nachdachte, desto wahrscheinlicher kam es ihm vor. Alle Absonderlichkeiten des Mannes fielen ihm ein. Seine eigenbrötlerische Art, sein unhöfliches Wesen, sein Junggesellendasein und sein schwachköpfiger Hilfsmann Gorm. Gorm, den kein einziger Schlossermeister in Kirchrode hatte haben wollen – außer Tauflieb.
Mechanisch drehte Lapidius das Rad weiter. Wenn der Meister es getan hatte, wo war dann der Rumpf der Toten? Zu jedem Kopf gehörte ein Körper, und wenn alles mit rechten Dingen zugegangen war, musste dieser sich auffinden lassen. Befand auch er sich in unmittelbarer Nähe? Lapidius’ Hand stockte. War er in Taufliebs Haus? Oder, welch unvorstellbarer Gedanke, gar in seinem eigenen?
Lapidius hatte keine Ruhe mehr. Nichts war ihm auf einmal gleichgültiger als das dritte hermetische Prinzip zur Gewinnung von Gold. Er würde das ganze Haus durchsuchen. Sofort. Jede Kammer, j eden Winkel, j ede Ecke. Er würde das Unterste zuoberst kehren, und erst wenn er ganz sicher war, dass keine Leichenteile unter seinem Dach lagen, würde er wieder Frieden finden. Er sprang auf und setzte sein Vorhaben unverzüglich in die Tat um.
Doch so sehr er sich in den nächsten Stunden auch bemühte, er fand nichts. Nirgendwo.
Im Laufe der Zeit hatte sein Puls sich wieder normalisiert, und er konnte klarer denken. Wenn ein toter Körper in meinem Haus liegen würde, sagte er sich, dann hätte Krabiehl ihn vorgestern gewiss entdeckt. Warum bin ich nicht gleich daraufgekommen? Er beendete seine Nachforschungen und setzte sich, halbwegs beruhigt, wieder in sein Laboratorium.
»Ogottogott! Gehts Euch nich gut, Herr?« Marthe stand in der Tür. Sie war von ihrer Mutter zurück.
»Doch, doch. Ich habe nur etwas gesucht.«
»Was gesucht? Wars wichtich? So wie Ihr dreinkuckt, Herr, wars wichtich!«
»Nein, nein.« Lapidius wollte das Gespräch beenden. »Es hatte mit dem Frauenschädel zu tun.«
»Waaas? Ja, was issen mit dem? Die ganze Stadt zerreißt sichs Maul drüber. Wo is der überhaupt?«
Lapidius hätte sich selbst ohrfeigen können. Statt einfach eine Ausrede zu erfinden, hatte er bei der Wahrheit bleiben wollen und auf diese Weise schlafende Hunde geweckt. »Mach dir darüber keine Sorgen. Der Büttel jedenfalls weiß es nicht.« Er stand auf und begann seine Versuchsanordnung fortzuräumen.
»Krabiehl? Nee, der weiß nix. Sonst hätt er mich nich gelöchert, wo der Kopp is, nich?«
»Ja, ja. Nun kümmere dich um das Essen.«
Doch Marthes Neugier war geweckt. Mit weiblicher Schläue fragte sie: »Vielleicht find ichs ja, Herr. Was isses denn? Sollich noch mal kucken?«
»Nein.«
»Wo habt Ihr denn gekuckt?«
»Überall. Nun mach dich an die Arbeit.«
»Ja, Herr. Neulich habich auch was gesucht, die große Kelle wars, die aus Kupfer, un nu ratet mal, wo ich die gefunden hab, inner Vorratsgrube wars, un …«
Ein heißer Schrecken durchdrang Lapidius. Die törichte Magd brachte es fertig und stieg in sein Versteck hinab! »Los, nun ab mit dir, ich habe Hunger!«
»Ja, Herr. Ich mach Putterpommen, das geht fix.«
»Tu das nur.« Lapidius verfiel abermals ins Grübeln. Es war schwer, wenn nicht geradezu unmöglich, sich ein abschließendes Bild von Tauflieb zu machen. Vor ein paar Augenblicken war er noch sicher gewesen, in dem Schlossermeister einen der drei Söhne des Teufels entdeckt zu haben. Nun war er es wieder nicht.
Er zwang sich, noch einmal von vorne zu denken. Durch das F und das S auf der Stirn der toten Gunda Löbesam gab es eine Verbindung zu Freyja, die man auf diese Weise der Hexerei und des Mordes bezichtigen wollte. F und S hieß aber auch Filii Satani. Ob die Doppelbedeutung Absicht war, stand dahin. In jedem Fall war davon auszugehen, dass es die Söhne des Teufels gab und dass Freyj a mit ihnen Kontakt gehabt hatte, auch wenn sie sich an Einzelheiten nicht erinnern konnte, da ihr Gedächtnis Lücken aufwies. Immerhin hatte sie sprechende Augen und Hände gesehen. Waren es Taufliebs Augen und Hände gewesen? Und, vielleicht noch wichtiger: Hatte Freyja des Schlossermeisters Stimme gehört?
An dieser Stelle blieb festzuhalten, dass Freyj a nichts an Tauflieb wiedererkannt hatte, als dieser im Oberstock gewesen war, um das Schloss in die Türklappe zu setzen. Das sprach für den Meister. Und gegen Lapidius’ Überlegungen. Andererseits durfte der schlechte Gesundheitszustand seiner Patientin nicht unberücksichtigt bleiben.
Lapidius’ zermartertes Hirn kam zu einem Schluss: Wenn überhaupt, war Tauflieb nur einer von den drei Söhnen des Teufels.
Aber wer waren dann die beiden anderen?
Der Dritte Sohn des Teufels stand vor dem Bett der schwergewichtigen Frau. Er konnte nicht viel von ihr sehen, denn das Mondlicht, das durch ein schmales Fenster in die Kammer fiel, warf nur einen matten Schein auf ihre Massen. Dennoch erkannte er die Schlafende. Es war Auguste Koechlin. Die Bergmannsfrau lag ihm zugewandt, mit halb geöffnetem Mund, aus dem hin und wieder schmatzende Laute hervordrangen. Die Daunendecke, die ihren Leib verhüllte, war seitlich abgerutscht und gab den Blick auf eine nahezu entblößte Brust frei.
Der Dritte Sohn des Teufels spürte, wie es in seinen Lenden zu ziehen begann. Seine Hand schien ein Eigenleben zu bekommen, als sie sich vorstreckte, um die weißliche Wölbung zu betasten, doch im letzten Augenblick konnte er sie zurückziehen. Er war nicht gekommen, um sich an der Bergmannsfrau zu ergötzen.
Zusammen mit dem Zweiten Sohn des Teufels, der hinter ihm stand, hatte er einen Auftrag.
Einen sehr wichtigen Auftrag.
Walter Koechlin schlief schon seit Jahren nicht mehr im gemeinsamen Ehebett. Das hatte mehrere Gründe. Einer davon bestand darin, dass seine Frau der Fleischeslust nicht sonderlich zugetan war, j edenfalls die letzten Monate nicht. Ein zweiter war ihre Leibesfülle, die den Großteil des Lagers für sich beanspruchte, und ein dritter, sicherlich der wichtigste, war der Umstand, dass er ein schauerlicher Schnarcher war. Die Töne, die er beim Atmen in Mund und Rachen produzierte, waren so markerschütternd laut, dass sogar die Drusweiler von nebenan sich schon beschwert hatte.
Koechlin allerdings hörte davon nichts. Nur am Morgen fühlte er sich schlapp und unausgeschlafen, was daran lag, dass er nachts häufiger wach wurde, meistens, nachdem er geträumt hatte, er müsse ersticken – eine Folge der langen, qualvollen Atmungsaussetzer, die mit dem Schnarchen einhergingen.
In dieser Nacht war es wieder so. Koechlin rasselte und röchelte, rang nach Luft, schnappte wie ein Fisch auf dem Trockenen und wurde endlich, kurz vor dem Erstickungstod, wach. Sein Puls, durch die Luftknappheit alarmiert, raste. Er versuchte, ruhig zu atmen und wieder einzuschlafen. Doch da hörte er ein Geräusch. Es kam aus dem Nebenzimmer, in dem seine Frau schlief. Es war ein ungewohntes Geräusch, keineswegs eines, wie es zu den vertrauten der Nacht gehörte. Es klang, als habe ein Mann unterdrückt gehustet.
Voller Ahnungen erhob sich Koechlin. Es hatte in letzter Zeit Gerüchte in Kirchrode gegeben, die besagten, dass seine Auguste dem Büttel schöne Augen machte, aber er hatte darüber nur gelacht. Anfangs jedenfalls. Die Stimmen j edoch waren nicht verstummt, und mittlerweile war er soweit, dass er ihnen fast Glauben schenkte.
Er schlich zur angelehnten Tür und öffnete sie vorsichtig einen Spaltbreit. Nichts war zu sehen. Der Spalt musste vergrößert werden. Er tat es – und erstarrte. Der Leibhaftige stand vor ihm! Riesig im Mondlicht, mit Bockshörnern, Spitzbart und höhnischer Grimasse! Koechlin wollte um Hilfe rufen, aber sein Schrei erstarb unter einem furchtbaren Schlag. Er taumelte zur Seite, drehte sich um die eigene Achse und fiel mit dem Hinterkopf auf eine Tischecke. Von da aus sackte sein Körper zu Boden.
Doch das hatte er schon nicht mehr gespürt.
Er sollte nie wieder etwas spüren. Als der Zweite Sohn des Teufels den aufgeschreckten Ehemann unschädlich machte, hatte der Dritte Sohn des Teufels nur kurz aufgeblickt. Er wusste, dass er sich auf seinen satanischen Bruder verlassen konnte. Nun wandte er sich wieder der Bergmannsfrau zu. Auguste Koechlin war durch den Lärm halb wach geworden, blinzelte kurzsichtig den dunklen Schatten vor ihr an und quäkte: »Wer … wer?«
»Pssssst«, machte der Dritte Sohn des Teufels, der sich in diesem Augenblick nicht mehr beherrschen konnte. Seine Hand stieß vor und umfasste die Brust der Bergmannsfrau, knetete sie, ertastete die Spitze und begann sie zu reiben. »Pssssst!«
Die Koechlin, anfangs stocksteif vor Angst, hielt jetzt ganz still. »Bist du es, Krabiehl?«
Der Dritte Sohn des Teufels rieb weiter und verstärkte seine Tätigkeit, bis es ihm kam und seine Hose feucht wurde. Dann ließ er von der Frau ab. »Nein«, sagte er und trat einen Schritt zurück, damit das Mondlicht voll auf ihn und den Zweiten Sohn des Teufels fallen konnte.
Die Koechlin stieß einen spitzen Schrei aus: »Jesus Christus! Die Bockshörnigen! Die Bockshörnigen!«
Der Dritte Sohn des Teufels kicherte unter seiner Maske. Der Erste Sohn des Teufels hatte wie immer Recht gehabt. Die Frau zitterte wie Espenlaub vor Angst. Sie würde fortan noch mehr tun, um ihnen erfolgreich zu dienen. »Der Erste Sohn des Teufels wollte, dass du uns leibhaftig siehst. Damit du merkst, wie ernst deine Lage ist.«
»Ja«, wimmerte die dicke Frau. In der Tat hatte sie ihre Auftraggeber noch nie zu Gesicht bekommen, nicht einmal damals im Wald, als die Stimmen von allen Seiten gekommen waren und ihr und der Drusweiler die Botschaft verkündet hatten. Die anderen Befehle waren über geheime Mitteilungen erfolgt, die sie nach dem Lesen sofort zu verbrennen hatte. Für den Fall der Verweigerung waren ihr sieben mal sieben Tode und das Höllenfeuer angedroht worden. Für tausend Jahre, tausend Fuß unter der Erde.
Wie groß war ihre Furcht damals gewesen! Und wie oft hatte sie verflucht, dass sie ein paar Worte lesen konnte! Doch dann hatten sich die Verleumdungen als einträglich erwiesen. Sehr einträglich sogar. Für sie. Und ebenso für die Drusweiler. Beide hatten sie die Säckler angeschwärzt, sie der Hexerei geziehen und Geschichten von blutenden Axtstielen und gekochten Kinderfingern erfunden. Und fast hätte das die Kräuterhökerin schon auf den Scheiterhaufen gebracht. Wenn dieser Lapidius nicht gewesen wäre …
»Hat die Säckler sich inzwischen an ihre Zeit in den, äh … Bergen erinnert?«, fragte der Dritte Sohn des Teufels. Er beugte sich vor, so weit, dass die Maske direkt über der Koechlin schwebte.
»Ich … ich … nein, ich glaube nicht.«
Abermals fuhr die Hand zur Brust vor. Doch diesmal kniff sie unbarmherzig hinein.
»Autsch! Au, au, au … ich weiß es doch nicht. Wirklich nicht. Wir kommen nicht ran an die Hexe.«
Der Griff lockerte sich etwas. »Und was sagt Marthe? Ist sie bereit, mit uns zusammenzuarbeiten?«
»Sie sagt, die Säckler ist krank und braucht Pflege.« »Mehr nicht? Redet sie nicht mit der Hexe?«
Die Koechlin versuchte, sich von der Hand, die ihre Brust umkrallte, zu befreien. Doch es war vergebens. »Sie sagt, nein. Sie sagt, sie hätte mit der Sache nichts zu tun.«
»Dann schüchtere sie ein. Drohe ihr. Es kann nicht sein, dass sie mit der Hexe unter einem Dach haust und nicht weiß, was diese spricht.«
»Ja … jahaaa.«
Langsam lockerte der Dritte Sohn des Teufels den Griff. Er tat es fast widerstrebend. »Setze alles daran, mehr herauszufinden. Es ist wichtig. Lebenswichtig. Auch für dich! Und denk daran: Wir kommen wieder.«
Er griff in sein Wams und förderte drei Münzen hervor, die er lässig auf die Daunendecke warf. »Das ist für dich. Verdiene es dir.« Ohne ein weiteres Wort machte der Dritte Sohn des Teufels kehrt, zog den Zweiten Sohn des Teufels mit sich und verließ hinkenden Schrittes das Haus.
Hinüber zu Maria Drusweiler.